Herausforderungen bei der Evaluierung von Supplements
Obwohl die Longevity-Medizin und angrenzende Bereiche derzeit einen enormen Boom erleben, fehlt es noch immer an randomisierten kontrollierten Studien (RCTs), gerade zu Supplements. RCTs am Menschen sind sehr komplex, teuer und dauern lange. Die meisten vielversprechenden Wirkstoffe kommen natürlicherweise in Lebensmitteln und Pflanzen vor und sind daher in ihrer ursprünglichen Form nicht patentierbar – dies macht die Forschung für die Industrie in diesem Bereich oft uninteressant. Zudem fliessen öffentliche Gelder nur spärlich in diesen Forschungsbereich, da die Erforschung von Therapien zur behandlung von Krankheiten gegenüber der Erforschung von Therapien in der Longevity Medizin bevorzugt werden. Das führt dazu, dass mehr öffentliche Gelder in die Forschung von „Krankheits-Management“ anstelle von „Gesundheits-Management“ fliessen.
Aufgrund des Mangels an RCTs basieren viele Empfehlungen auf dem Gebiet der Longevity-Medizin immer noch auf Expertenmeinungen von Forschern oder Ärzten, deren Arbeit Eingang in die Populärwissenschaft gefunden hat. Einige der bekannteren, manchmal schillernden Protagonisten sind David Sinclair, Nir Barzilai, Aubrey de Grey, Matt Kaeberlein, Peter Attia, Mark Hyman und Andrew Huberman. Da sich ihre Meinungen zum Teil deutlich unterscheiden und von diversen Interessenkonflikten geprägt sind, sollten Expertenempfehlungen stets kritisch hinterfragt werden.
Und schliesslich stellen regulatorische Herausforderungen ebenfalls eine zu beachtende Hürde dar. Bei vielen interessanten Wirkstoffen bleibt nämlich selbst dem für die Konsumentensicherheit zuständigen Regulator unklar, wie diese am besten einzuordnen sind, auch wenn diese natürlicherweise in Lebensmitteln vorkommen. Es stellen sich Fragen wie: Soll der Wirkstoff wie ein Lebensmittel behandelt werden? Soll der Wirkstoff als sogenannter „Novel Food“ eingestuft werden? Oder ist der Wirkstoff aufgrund seiner pharmakologischen Wirkung ein Heilmittel und somit als Arzneimittel einzustufen? Diese und andere Fragen sind im ständigen Fluss und werden je nach Land und Behörde unterschiedlich interpretiert und beantwortet. Infolgedessen finden einige vielversprechende Substanzen nicht in allen Ländern Zugangzum freien Markt, und wir können nicht alle Wirkstoffe, an deren Potenzial wir glauben, in unsere Protokolle aufnehmen.